Kennst du Menschen, die ständig Musik hören:
- Auf dem Weg zum Bahnhof
- Im Auto
- Beim Einschlafen
- Beim Lernen
Kennst du Menschen, die zuhause ständig ihren Fernseher laufen lassen – nicht mal, um unterhalten zu werden, sondern nur, um ein Hintergrundgeräusch zu schaffen?
Kennst du Menschen, die ständig auf ihr Handy gucken?
- Beim Essen
- Beim dem geringsten Warten
- Beim Reden
- Beim Gehen
Stille ist für viele Menschen ein Fremdwort.
Nicht nur, weil es im Alltag kaum einen Ort gibt, an dem Stille vorzufinden ist, sondern auch, weil wir uns selbst nicht mehr die Möglichkeit geben, uns ihr auszusetzen.
Wir flüchten vor der Stille – weil wir sie nicht ertragen.
Dieser Beitrag ist Teil der spannenden Blogparade „Stille, die der Mensch ist“ , die von Meike und Nicolai Jürgensen ins Leben gerufen wurde. Ich freue mich sehr, dass mich Nicolai dazu eingeladen hat.
Was Stille ist
Zuerst einmal möchte ich kurz klären, was Stille überhaupt ist.
Stille ist nicht nur Lautlosigkeit.
Stille ist in gewisser Weise auch Nichts-tun.
Die Aufmerksamkeit nicht auf etwas zu lenken, sondern einfach nur da zu sein.
Sich selbst zur Ruhe zu bringen und in sich selbst still zu werden.
Dem Raum zu geben, was ist.
Warum wir Stille nicht mehr zulassen
In der heutigen Zeit wird so viel Wert auf Oberflächlichkeiten gelegt – auf Ansehen, auf Aussehen, auf Luxus, Erfolg und ein spannendes Leben. Auch wir Menschen sollten interessant und aufregend sein.
Nur dann sind wir toll – sagt der Trend, die Gesellschaft, sagen die Medien.
So haben wir begonnen, uns über unser Leben zu definieren und aus ihm unseren Selbstwert zu ziehen.
Wir messen uns an unserem Leben: Ist unser Leben spannend, sind wir es auch. Ist unser Leben langweilig, sind wir es auch.
Facebook und Instagram haben uns dazu gebracht.
Mit dramatischen Folgen.
Wir vergleichen uns ständig mit den Leben anderer.
Wir haben das Gefühl, mitmischen zu müssen, ausgelassen zu leben und Abenteuer zu erleben. Auf Partys zu gehen, auf Reisen. Action zu haben und besondere Momente zu erleben.
Wir müssen uns selbst beweisen und nach außen hin tragen, wie toll und spannend wir und unser Leben sind, damit wir uns nicht langweilig fühlen und auf andere nicht langweilig wirken.
Ohne uns einzugestehen, dass uns das alles eigentlich zu viel ist.
Diese Erkenntnis kommt uns in der Stille.
In der Stille, vor der manche Menschen Angst haben, weil sie offenbarend ist.
Denn in der Stille gibt es nichts, was dich ablenkt, nichts, was deine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Da sind nur deine Gedanken und Gefühle, mit denen du konfrontiert wirst – und die von dir erzählen.
Von deinen Sehnsüchten und Träumen, aber auch von deinen Sorgen und Ängsten.
Und mit denen Fragen aufkommen.
Fragen, die du im Alltag verdrängst:
- Die Frage, ob dein Leben wirklich zu dir passt – der Job, dein Partner oder dein Umfeld.
- Die Frage, ob deine Lebesweise gut für dich ist – deine Gewohnheiten, deine Ernährung, deine Freizeitbeschäftigung.
- Die Frage, ob du dir selbst genügst – ob du perfekt, schön oder gut genug bist.
- Die Frage nach dem Sinn im Leben und ob du ihn erfüllst.
Und das kann Angst machen.
Gerade Menschen, die viel Aufregung und Action brauchen, viel Lärm und Ablenkung, haben oft Angst, mit sich alleine zu sein, auch wenn sie das nicht zugeben wollen oder sich dessen nicht mal bewusst sind.
Sie lenken sich ab, um diesen grundlegenden und sehr wichtigen Fragen aus dem Weg zu gehen.
Warum wir Stille brauchen
- Wir brauchen Stille, um uns selbst zu begegnen.
Wir laufen viel zu oft vor uns selbst davon. Wir suchen uns in der ganzen Welt und finden uns nicht und haben paradoxerweise auch noch Angst davor, uns selbst zu begegnen.
Aber genau deswegen brauchen wir die Stille.
Um uns wieder zu finden. Um auf uns selbst zu treffen.
Um Einsicht und Erkenntnis zu erlangen.
Um Antworten und Möglichkeiten zu finden, die für unser Glück und unsere Zufriedenheit wichtig sind.
- Wir brauchen Stille, um uns zu erholen.
Unser Leben ist gefüllt mit Lärm. Wo auch immer wir sind oder hingehen ist es selten still und so gibt uns das Leben selbst kaum die Möglichkeit, Ruhe zuzulassen.
Aber auch Bewegung, Druck, Hektik und Termine, die wir uns schaffen, führen uns weit von der Stille weg sowie unser ständiger Drang, Geräusche oder Ablenkung zu schaffen.
Ja beinahe unser ganzes Leben ist ein ständiges Einströmen von Reizen, das irgendwann einen Ausgleich – und zwar Ruhe – benötigt.
So wie es im Leben immer zwei Seiten gibt.
Die Anspannung und Entspannung.
Kein Mensch kann leben, ohne zu schlafen. Der Körper braucht die Phasen der Ruhe, um sich zu erholen und so braucht auch dein Geist Ruhe von den Reizen, die er täglich in sich aufnimmt, um wieder zu kräften zu kommen.
Stille – die heilende Kraft
Suche bewusst die Stille auf und erlebe selbst, wie wohltuend sie sein kann. Wie bedeutsam sie für dein Leben ist. Für dein Glück und deine Zufriedenheit. Für deine Kraft und Gesundheit.
Die Stille gibt dir die Möglichkeit…
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…durchzuatmen
In der Stille hast du die Möglichkeit innezuhalten und frei zu werden von Hektik und Stress. Auszusteigen aus der Routine und den Gewohnheiten. Aus der Gedankenflut, die deinen Geist beherrscht.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit das Meditieren für mich entdeckt. Still zu sein und auf meinen Atem zu achten. Und auch, wenn mir in diesen Momenten immer wieder Gedanken aufkommen, die ich nicht haben möchte, empfinde ich die Stille als sehr wohltuend.
Es ist wie eine Flucht für mich geworden. Die Flucht aus dem Alltag, den Reizen, dem Lärm, dem ich mich entziehe und in der Stille ich einen Raum bekomme, um davon abzuschalten.
Und selbst in diesem stillen Raum, den ich bewusst schaffe, merke ich, wie schwer es meinem Geist fällt, tatsächlich abzuschalten. Zur Ruhe zu kommen und loszulassen.
Das liegt daran, dass wir uns so darauf trainiert haben, immer aktiv zu sein, immer zu denken, etwas zu tun und uns mit Sorgen und Problemen zu befassen, dass ein Zustand ohne Gedanken schier unmöglich ist.
Aber es ist sehr befreiend.
Nutze die Stille, um deinen Geist zur Ruhe zu bringen und das Loslassen zu lernen.
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…bewusst und in deinem eigenen Tempo zu leben
In der Stille musst du gar nichts. Hier kannst du dich auf deinen Rhythmus besinnen, auf deinen eigenen – nicht auf den, den du dir in deinem Alltag antrainiert hast.
Lebe bewusst. Ganz präsent im Hier und Jetzt und richte deine Aufmerksamkeit auf das, was du gerade tust.
Damit meine ich nicht, dich abzulenken und dich zum Beispiel auf Musik zu konzentrieren. Sondern beispielsweise beim Spazieren gehen auf deine Schritte zu lauschen. Achtsam zu sein und in dich hineinzuhören. In welcher Geschwindigkeit gehst du, wie ist dein Atem, was nimmst du um dich herum wahr?
Du kannst aber auch daheim Situationen schaffen, in denen du Ruhe zulässt und achtsam etwas tust. Zum Beispiel wenn du gerne kochst, dich im Stillen bewusst mit jeder einzelnen Teilaufgabe befassen und wahrnehmen, wie du sie ausführst und mit was du arbeitest.
Viel zu oft sind unsere Gedanken nämlich nicht bei dem, was wir tun, sondern schwirren in die Zukunft oder Vergangenheit, hängen an Sorgen oder Problemen, die dich aus der Gegenwart holen.
Lebe im Hier und Jetzt und nutze die Stille, um das zu lernen.
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…dich in Geduld und im Nichtstun zu üben
Ich kenne viele Menschen, die zum Beispiel das Warten an Kassen nicht ertragen können. Im Außen mag in diesen Momenten Stille nicht da sein, aber du kannst die Zeit nutzen, um innerlich still zu werden und keine bewusste Ablenkung zu schaffen.
Nimm wahr, was du siehst.
Beobachte die Menschen.
Was tun sie? Ruhen sie in sich oder schaffen sie Ablenkung, weil sie das Stillstehen nicht ertragen?
Schenke dem Leben Aufmerksamkeit und staune darüber, was dir dabei alles auffällt.
Nutze Wartezeit, um innerlich still zu werden und zu lernen, in dir zu ruhen.
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…dich kennenzulernen
Du kannst in der Stille den Fragen begegnen, vor deren Antworten du Angst hast. Die du nicht mehr hörst, weil du zu sehr von deinem Unterbewusstsein gesteuert bist, deinen Gewohnheiten, der Routine und deinen lauten Gedanken. Den Fragen, die der Resignation gewichen sind, weil du dein Leben an den Erwartungshaltungen anderer ausgerichtet hast und führst.
Den Fragen, die aber nicht aufhören, da zu sein, weil die Antwort für dein Leben wichtig ist.
Die ehrliche Antwort – die Wahrheit – die sich nur in der Stille offenbart.
Befasse dich mit dir und deinem Leben und finde den Zugang zu dir. Finde heraus, was du fühlst und wirklich willst und beginne, den Weg zu gehen, der sich für dich richtig anfühlt.
In der Stille kannst du diesen Weg herausfinden.
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…Beziehungen zu vertiefen
Kennst du Menschen, in deren Gegenwart Schweigen unangenehm ist? Und kennst du Menschen, in deren Gegenwart Schweigen angenehm ist und in der nicht das Gefühl in dir aufkommt, etwas sagen zu müssen – die Stille zu füllen, weil sie unerträglich ist?
Äußerlich herrscht der gleiche Zustand, aber innerlich hat er eine völlig andere Wirkung.
Es ist die Stille, in der ein Mensch ruht, die diesen Unterschied ausmacht.
Wer Stille ertragen und innerlich still sein kann, kann schweigen und in diesem angenehmen Schweigen andere Seelen auffangen und weitaus mehr geben, als Worte es je könnten.
In solche einem Schweigen kannst du dich verstanden fühlen und geborgen wissen, ohne dass Worte dafür nötig sind. Du kannst die Gewissheit haben, dass jemand da ist, nah ist – ohne laut zu werden.
Es ist ein stummes Gespräch, in dem sich zwei Seelen auf einer Ebene begegnen, die ohne Wort auskommt.
Wenn du so einen Moment schon mal erlebt hast, weißt du auch, wie gut er tut. Wie sehr eine Beziehung dadurch an Tiefe gewinnen kann, wenn man gemeinsam Schweigen kann.
Und dieses Schweigen kannst du lernen, in dem du lernst, Stille zu ertragen.
Nimm Stille in dein Leben auf
Es gibt Menschen, die sagen, sie brauchen immer Musik, die Geräusche der Stadt, des Lebens.
Aber Leben ist Stille.
Es erwächst lautlos und braucht nichts an Lärm.
Schaffe dir bewusst die Momente der Stille und lerne, dir zu begegnen und mit dir allein sein zu können.
Die Ruhe zu genießen, um Kraft zu schöpfen.
Innerlich still zu werden, damit du dem Bedeutsamem lauschen kannst.
Dem, was hinter den lauten Gedanken, dem hektischen Treiben und dem äußerlichen Druck liegt.
Der Wahrheit.
Der Schönheit.
Dir selbst.
Und du wirst Dinge über dich erfahren, die du nicht wusstest. Du wirst Dinge sehen, an denen du bisher achtlos vorüber gegangen bist. Du wirst Kraft finden, die du in deinem Leben vermisst hast. Du wirst den Weg erkennen, den du wirklich gehen willst.
Wie gehst du mit Stille um und welche Erfahrungen hast du mit der Stille gemacht?
Weiterführende Links:
- Mein Interview zum Thema Alleinsein und Stille auf Deutschlandfunk Nova. Jetzt reinhören!
Hi, ich bin Bettina. Als Coach und Autorin helfe ich hochsensiblen Menschen dabei, Stabilität und Stärke in sich selbst zu entwickeln und ein Leben zu gestalten, das sie tief im Inneren zufrieden macht.
Ja, die Stille.
Wer hat uns gelernt damit umzugehen? Wenn es plötzlich unerträglich laut in uns wird, und all die vielen Gedanken in uns, sich zu Worte melden. Monkeytalk wird dies im englischen treffend bezeichnet. Affengeschwätz 🙂 Ja, und diese Affen in unserem Kopf zu beherrschen, das bedarf Übung.
Sehr oft wird empfohlen, seinen Atem zu beobachten. Dies funktioniert bei mir überhaupt nicht, da eine Stimme in mir sofort zu rebellieren beginnt, und dies als Unsinn abtut.
Bei mir funktioniert sehr gut, wenn ich mich auf mein Herzchakra konzentriere, und fühle wie daraus warme, milde Liebe strömt. Einfach die Liebe strömen lassen, und dieses Gefühl genießen. Wohlbefinden und Frieden macht sich breit. Und dies können wir immer praktizieren sobald die Affen im Kopf wieder laut werden.
Warum tut es so endlos gut, mit einem wirklich geliebten Menschen zusammen zu sein? Sprechen da die Affen noch?
Dann habe ich noch entdeckt, dass es auch sehr gut tut, etwas zu tun, was unsere ganze Konzentration erfordert. Etwas, das uns fast schon überfordert. Aber eben nur fast.
Dabei ist es egal, was das ist. Arbeit, Sport, Kunst, Musik, Abenteuer, Schreiben, Gespräche FÜHREN, ganz detailliert zuhören, Alltag bewusst, zügig und konzentriert erledigen…
Da wird es still in uns. Wir sind ganz im Hier und Jetzt. Wir sind da.
Wie ist nochmal der Name Gottes? Jachwe – Ich bin da!
Bettina, danke für diesen Beitrag. Er passt wunderbar in diesen grauen November, und lehrt uns, wie wohltuend diese von vielen Menschen so gehasste Zeit doch sein kann.
Alles Liebe,
Martin
„Monkeytalk“ – ein sehr treffender Begriff! 🙂
Ich habe noch keine Erfahrung mit Chakren-Energie, aber kann mir dank deiner Beschreibung gut vorstellen, dass das sehr gut funktioniert.
Sich bewusst mit ganzer Aufmerksamkeit einer Aufgabe zu widmen ist wirklich beruhigend. Tief in sich einzutauchen und mit Hingabe einfach da zu sein. Vielen Dank für deine Beispiele!
Alles Liebe
Bettina
Vielleicht hilft es die Atem Meditation und Achtsamkeit einfach so oft es geht zu üben im eigenen Tempo ohne sich unter Druck zu setzen und irgendwann kann man es dann einfach vielleicht ist es wie bei einem Kleinkind das laufen lernt
Lieber Benjamin,
da sagst du etwas ganz Wichtiges: Üben so oft es geht und dabei liebevoll mit sich sein. Achtsam zu werden erfordert Übung und je öfter wir das üben, desto leichter und häufiger wird es uns mit der Zeit gelingen, in diesen Zustand zu kommen.
Liebe Grüße
Bettina
In die Stille zu flüchten, ist dasselbe wie sich vom Lärm ablenken lassen: Die Idee, etwas, was grad gefühlt wird, sollte anders sein, als es gefühlt wird. Es ist die persönliche Idealvorstellung, die den Menschen, identifiziert mit ICH, Person, auf die Suche schickt nach dem Ort, wo es als Person endlich nichts mehr zu tun gibt, nichts mehr zu beweisen, zu erreichen, zu verändern. Du bist nicht diese Person, die sucht. Du bist auch nicht das, was sie sucht. Jenseits von Lärm und Stille, fällst du ins wortlose, wo jedes weitere Wort sich erübrigt, weil das Wort sich selbst erkannt hat, als den Anfang und das Ende zu gleich.
Ein schöner Artikel, danke dafür! Als introvertierter Mensch ist die Stille eines meiner Lieblingsthemen. Die äußere Stille in unserer lauten Welt zu finden ist etwas Besonderes – aber die wahre Schönheit von Stille erleben wir, wenn wir unsere innere Stille finden.
Liebe Grüße
Lena
Liebe Lena,
vielen Dank für deinen Kommentar, das hast du wunderschön formuliert!
Liebe Grüße
Bettina