Kennst du Menschen, die fast immer einen guten Ratschlag für dich parat haben? Ganz egal, ob du dabei wirklich ein Problem hast, ob du nur erzählst, was bei dir so los ist oder davon, was du vorhast zu tun. Sie kommen mit forschen Ratschlägen, die in dir auf Widerstand stoßen, weil du das Gefühl bekommst, dass du nichts – und der andere alles besser weiß.
- Du fühlst dich unverstanden, weil du nicht nach einem Ratschlag gefragt hast.
- Du fühlst dich nicht respektiert, weil deine Entscheidung nicht ernst genommen wird.
- Du fühlst dich allein gelassen, weil du in deinem Mut bestärkt werden wolltest und nicht in deinem Zweifel.
- Du fühlst dich abgelehnt und bevormundet, weil dir nicht zugetraut wird, selbst eine gute Lösung für dich zu finden.
Ich selbst habe mich oft über „zu gut gemeinte Ratschläge“ aufgeregt und für mich folgende Wege gefunden, um sie nicht mehr so persönlich zu nehmen.
6 Wege, um gelassener mit gut gemeinten Ratschlägen umzugehen
1. Sie meinen es nur gut
Vergiss nicht, dass die Menschen, die dir Ratschläge erteilen, es im Grunde nur gut mit dir meinen. Sie möchten dich vor etwas bewahren, dich schützen, das Beste für dich. Sie wollen Verantwortung für dich übernehmen. Auch wenn das manchmal gar nicht so rüber kommt, möchten sie dir zeigen, was sie an deiner Stelle tun würden. Mit dieser Sichtweise kannst du dem Ratschlägen mit mehr Verständnis begegnen und ihn nicht so sehr als Angriff sehen.
2. Gehe auf Distanz
Wenn du einen Ratschlag hörst und sich gleich Widerstand in dir bemerkbar macht, dann bewertest du den Ratschlag („das finde ich schlecht“, „das kommt für mich nicht in Frage“) oder die Art und Weise, wie er an dich herangetragen wird („was fällt dem ein, mir zu sagen, was ich tun soll“, „woher weiß er, was gut für mich ist“) und nimmst ihn persönlich.
Würdest du das nicht tun, würdest du den Ratschlag lediglich als das ansehen, was er ist: ein Vorschlag für einen Weg, den der andere an deiner Stelle gehen würde. Lerne, dich nicht gleich angegriffen zu fühlen, auch wenn dein Gegenüber hartnäckig und von seinem Tipp überzeugt ist und dich scheinbar angreift. Gehe auf Distanz und stelle lediglich fest, dass da ein Vorschlag ist. Schau ihn dir an und prüfe ihn. Wenn du nicht mit ihm übereinstimmst, stelle fest, dass da ein Vorschlag ist, den du für dich nicht umsetzen möchtest.
3. Beachte die Begrenzungen der anderen
Jeder Mensch erschafft sich seine eigene Realität. Diese bildet sich aus seinem Wissen, seinen Erfahrungen, seinen Glaubenssätze und Bewertungen über die Dinge und wie sie funktionieren. Daraus entsteht sein persönliches Bild von der Welt.
Wisse darum, dass dieses persönliche Bild einem jeden Ratschlag zugrunde liegt. In diesem Ratschlag sind die Grenzen berücksichtigt, die Ängste, die Überzeugungen und Bewertungen, die der Mensch in sich trägt, der ihn erteilt.
Wenn sich jemand mit deinem Weg nicht identifizieren kann, dann, weil er Grenzen hat, die du nicht hast. Deshalb hält er einen anderen Weg besser für dich, als den deinen. Wisse darum, dass es seine persönliche Sichtweise ist, die sich auf seinen Erfahrungen, seinem Wissen, seinen Überzeugungen baut, die für dich aber nicht stimmen muss, weil du ein anderes Bild in dir trägst.
4. Bedanke dich
Auch wenn du nicht nach einem Ratschlag gefragt hast und ihn womöglich überhaupt nicht brauchen kannst und haben willst: bedanke dich für den Ratschlag. Damit zeigst du deinen Respekt dem Vorschlag gegenüber und die Gedanken, die sich diese Person über dich gemacht hat. Denn im Grunde meinen es die meisten Menschen wirklich nur gut mit dir.
Nachdem du dich bedankt hast, kannst du entweder auf den Vorschlag eingehen und deine Sichtweise erklären oder nicht weiter reagieren. Manchmal lohnt es sich nicht, Energie in eine Diskussion zu stecken. Das kommt auch ganz auf deinen Gegenüber an. Wenn du das Bedürfnis hast, Stellung zu beziehen, dann reagiere. Wenn nicht, dann führe das Gespräch nicht weiter fort, sondern nimm den Ratschlag dankend zur Kenntnis.
5. Stelle eine Gegenfrage
Wenn du es mit besonders hartnäckigen Menschen zu tun hast, die von ihrer Meinung so überzeugt sind, dass sie deine Meinung gleich abwehren und widerlegen wollen, du aber nicht klein bei geben möchtest, dann versuch es mal mit einer Gegenfrage: „Interessant, dass du das so siehst. Wie kommst du darauf, dass ich das tun sollte?“, „Das ist lieb, dass du mich vom Gegenteil überzeugen möchtest und ich bin mir sicher, dass dein Weg für dich der richtige wäre, aber kannst du dir vorstellen, dass für mich ein anderer Weg eher zutrifft?“ Diese Frage kann für Irritation und Reflexion sorgen, da auf sie kein direktes Gegenargument geliefert werden kann. Es nimmt den Wind aus den Segeln und kann das Gespräch zu einem Ende bewegen ohne, dass in dir das Gefühl aufkommt, den Kürzeren gezogen zu haben.
6. Äußere deine Bitte
Wenn du nun Menschen in deinem Umfeld hast, die dir öfters gut gemeinte Ratschläge geben, die du nicht mehr hören möchtest, dann sprich an, was dich stört UND was du dir stattdessen wünschen würdest.
Bedanke dich für ihren Einsatz, die gut gemeinten Ratschläge, aber bitte um mehr Freiraum. Dass du es zu schätzen weißt, aber den Eindruck hast, keine Luft mehr zu haben, um selbst Entscheidungen zu treffen, was dir aber sehr wichtig ist, da es um dich und dein Leben geht. Dass dieser Mensch dir aber auf eine andere Art Unterstützung sein kann, zum Beispiel in dem er dir nur zuhört, ohne eine Bewertung abzugeben.
Es gibt viele Wege, gelassener mit zu gut gemeinten Ratschlägen umzugehen. Welcher funktioniert für dich am besten?
Hi, ich bin Bettina. Als Coach und Autorin helfe ich hochsensiblen Menschen dabei, Stabilität und Stärke in sich selbst zu entwickeln und ein Leben zu gestalten, das sie tief im Inneren zufrieden macht.
Ja liebe Bettina,
früher hatte ich große Probleme mit den Ratschlägen, die ungewollt von mir auf mich zu kamen.
Ich lernte dann, dass wir instinktiv fühlen, was ein wirklich gut gemeinter Rat ist, und wann sich jemand nur auf unsere Kosten profilieren und Energie für sich generieren will. Ich nenne dann ganz einfach das Spiel. Schaue meinem „Ratgeber“ tief in die Augen, und sage zu ihm: „Dass gar Du sooo gescheit bist!? Dein Leben muss ja absolut perfekt verlaufen.“ Oder nenne ihn mit einem entlarvenden Lächeln „Gscheithaferl“. Ich weiß nicht ob es dafür ein hochdeutsches Wort gibt. Ich denke „Neunmalklug“ könnte es treffen.
Aber ich habe manchmal Angst, dass ich mit meinen Ratschlägen zu weit gehe. Nicht jeder Mensch kann sich ja so gut abgrenzen wie ich. Aber wer weiß schon immer was wann richtig ist. Ich probiere meinen Oberlehrer zu bändigen, und auf mein Herz zu hören. Ja, hier hab ich schon noch zu lernen. Danke.
Alles Liebe,
Martin
Lieber Martin,
vielen Dank für deine Kommentar und die Info, wie du mit solchen Ratschlägen umgehst. Ganz genau: ein richtig und falsch gibt es nicht – jeder darf für sich den Weg wählen, der für ihn am stimmigsten ist.
Liebe Grüße
Bettina
Das hilft aber nicht wenn es Verwandte oder Partner sind, die Ratschläge geben. Es wird nicht akzeptiert dass ich Freiraum brauche und ich weiss was ich für mein Leben brauche. Ich bekomme oft genau von solchen Tipps die selber ihr Leben nicht gut hinbekommen haben. Zb. Meine Mutter. Wenn ich darauf hinweisen, ist sie sauer. Aber sie hat auf meine Wünsche nicht reagiert, da würde ich pampiger. Ich habe leider aus dem Grund Kontakt abgebrochen weil das kein Ende genommen hat. Es gab keine anderen Gesprächsthemen, ausser mein Leben zu optimieren. Meine Partners haften habe ich aufgelöst, ich kann nicht mit jemandem sein der ständig Ratschläge hat. Wie kann man das von vorneherein vermeiden, damit sich solche Menschen von mir fernhalten? Es ist für mich sehr mühsam, ständig zu erklären oder zu ignorieren. Bin auch eine ruhigere Person, da sind sie genervt wenn ich dann die Stimme erhöhe. Aber ich weiss was ich im Leben will und bei Unklarheiten Frage ich lieber Personen die dafür Experten sind. Wenn es sehr wichtig ist, zahle ich auch einem Experten. Sowas wird immer belächelt, das nervt nur noch.
Liebe Klara,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich kenne solche Menschen aus meinem Umfeld und die Möglichkeiten, die ich für mich gefunden habe, sind
• das Thema ansprechen
• klare Entscheidungen zu kommunizieren (um nicht unbewusst den Eindruck zu vermitteln, einen Rat zu wollen)
• sich von Menschen distanzieren, die nicht aufhören können, Ratschläge zu erteilen und auch solche Partnerschaften nicht eingehen.
• gelassener werden und nicht auf die Ratschläge reagieren. Sie zur Kenntnis nehmen, aber nicht für dich annehmen. Hier kann dir vielleicht auch dieses Video zum Thema Umgang mit Kritik Inspiration sein: https://www.youtube.com/watch?v=ZrK1mmUpjTQ&t=9s
Ich höre heraus, dass du vieles davon umsetzt und du sagst selbst, dass du klar in deinen Entscheidungen bist und weißt, was du willst. Vielleicht ist es an der Zeit, dich etwas mehr von diesen Menschen zu distanzieren und dir ein Umfeld zu suchen, das ähnlich denkt wie du selbst. Ich weiß, dass das herausfordernder ist im privaten / familiären Umfeld und doch ist es möglich.
Liebe Grüße
Bettina
Hallo Bettina,
wir finden deinen Artikel sehr wertvoll. Insbesondere der Tipp, Gegenfragen zu stellen, erweist sich als überaus hilfreich.
Auch wir kennen viele dominante Personen, die ungebeten Ratschläge zu allen Lebensbereichen erteilen…
Es gibt unserer Meinung nach zwei Motive von dominanten Menschen:
1) Sie wollen helfen oder ihre Erfahrungen weitergeben. Sie streben danach, das Leiden der anderen Person zu beenden.
2) Sie wollen ihr Ego stärken, indem sie die Lösung liefern. Dies setzt voraus, dass der Ratsuchende den erteilten Rat befolgt. Nur durch dessen Umsetzung kann ein Erfolg erzielt werden.
Wichtig ist es, klar zu antworten und Grenzen zu setzen. Sag höflich, was du brauchst und wann Ratschläge willkommen sind. Am Ende musst du dich eventuell von Menschen distanzieren und abgrenzen, die nicht aufhören können, ihre Empfehlungen zu teilen.
Deshalb haben wir deine Tipps in unserem Blog-Beitrag „Stopp mit ungefragten Ratschlägen. Du musst gar nichts!“ verlinkt.
Liebe Grüße
Julia und Steffen
von FIDERTAS Awareness